Stoffwindeln für Jugendliche und Erwachsene

Diese Vorteile haben nachhaltige Inkontinenzprodukte

Über die Versorgung inkontinenter Jugendlicher und Erwachsene wird wenig gesprochen. Das hat verschiedene Gründe. Unter anderem wird es immer noch als peinliches Tabuthema angesehen, seine Blase nicht kontrollieren zu können. In diesem Beitrag spricht Autor und Inkontinenz-Aktivist Dietmar über die Vorteile nachhaltiger Inkontinenzprodukte.

Über den Autor

Dietmar

Dietmar Sen ist „Baujahr“ 1969, gebürtiger Hamburger und damals, so wie zu dieser Zeit üblich, noch mit Stoffwindeln gewickelt worden.
Seit 2015 ist er inkontinent und hat neben verschiedenen Behandlungsansätzen dabei die Versorgung mit Einwegversorgungen und auch den dabei anfallenden Müll kennengelernt.
Die Überlegung, wie eine Versorgung Inkontinenter in den 60er/70er Jahren ohne Einwegartikel funktioniert hat, führte ihn dazu sich mit der Versorgung durch waschbare Hilfsmittel / Stoffwindeln auseinanderzusetzen.
Da dazu kaum Informationen zu finden waren (sind), liegt vor allem auch daran, dass es sich beim Thema Blasenschwäche / Inkontinenz noch immer um ein oft schambehaftetes und daher fast immer verschwiegenes Tabuthema handelt.
Um das ein Stück weit zu ändern, engagiert er sich aus Überzeugung in seiner Freizeit über seine Erfahrungen mit Stoffwindeln im Alltag zu informieren und zumindest zum Nachdenken über die waschbare Alternative anzuregen und diese bekannter zu machen.

Vom Mulltuch zur Saugeinlage und zurück – eine kurze Geschichte der Inkontinenzprodukte

Bis in die späten 1970er Einwegwindeln der breiten Masse zur Verfügung wurden nicht nur Babys und Kleinkinder bis zum Trockenwerden mit Stoffwindeln gewickelt. Auch Jugendliche und Erwachsene waren teilweise krankheits-  aber auch altersbedingt auf eine Versorgung angewiesen. Diese Inkontinenzprodukte bestanden früher in der Regel, unabhängig vom Alter, aus Mull- und/oder Moltonwindeln und einer darüber getragenen Hose aus Gummi oder Kunststofffolie, die die Kleidung vor Nässe schützte. 

Eine Zeit lang dominierten noch Flockenwindeleinlagen, Endloswindeln zum Abschneiden aus Zellstoff sowie weitere Saugeinlagen in Verbindung mit waschbaren Überhosen den Markt, bis letztlich fast ausschließlich Wegwerfmaterial zum Einsatz kam, und das in gleichem Maße bei der Versorgung von Babys und Erwachsenen. Heute wird die aus Windeln, Damenhygiene- und Inkontinenzprodukten bestehende jährlich anfallende Abfallmenge auf 1,5 Mio. t geschätzt (Umwelt Bundesamt, 2022).

Vergleich Windel - Erwachsene und Babys

Mit dem Come-Back der Stoffwindel bei der Babypflege, wurde das Wickeln mit wiederverwendbarem Material auch für Jugendliche und Erwachsene wieder eine Option.

Inkontinenz – Wen betrifft das überhaupt

Eine Inkontinenz bedeutet nicht gleich, pflegebedürftig zu sein. Deutschlandweit sind ca 9 Millionen Menschen davon betroffen (Deutsche Familienversicherung, 2019). Dafür kann es verschiedene Ursachen geben. Frauen leiden häufig nach einer Geburt in Verbindung mit einem schwachen Beckenboden an vorübergehender Inkontinenz. Dauerhaft kann die Inkontinenz auch in Verbindung mit Krankheiten und/oder sonstigen körperlichen oder psychischen Herausforderungen auftreten. Auch Männer sind häufiger davon betroffen, als angenommen wird.

Vergleich von Stoffwindelsystemen für Erwachsene mit einer Einwegwindel. Es wird deutlich: die Stoffwindel kommt mit ihrem "Feel & Look" einer "normalen" Unterwäsche viel näher

Vorteile von Stoffwindeln für Jugendlichen & Erwachsene

Die Vorteile die Stoffwindeln für inkontinente Menschen mit sich bringen, sind sowohl mental als körperlich.

  • Selbstbestimmtheit: Betroffene können selbst bestimmen, welche Stoffe und Materialien an ihre intimsten Stellen kommen
  • Tragegefühl: das Tragen von Mehrwegprodukten fühlt sich in der Regel viel mehr an, wie das Tragen von Unterwäsche. Außerdem ermöglichen die Verschlüsse ein häufiges unkompliziertes Aus- und Anziehen
  • Geld sparen: Stoffwindeln können viele Jahre getragen werden, während Wegwerfwindeln ständige Ausgaben erfordern
  • Hautgesundheit: Kein Superabsorber oder reizende Duftstoffe an der Haut
  • Nässefeedback: führt dazu, sich mit den eigenen Ausscheidungen zu beschäftigen
  • Müllvermeidung: Erwachsenenprodukte haben bereits in neuem Zustand ein enormes Volumen, dass sich nach der Benutzung noch vervielfacht.
  • Ressourcen sparen: Das Ende der Wickelzeit ist in der Regel bei Babys absehbar. Bei Erwachsenen kann es jedoch sein, dass bis zum Lebensende Inkontinenzprodukte benötigt werden. Das Wickeln mit Stoff schont hier klar Ressourcen.
So unterschiedlich fällt die Müllmenge bei unbenutzten Einwegwindeln an. Die Windel für erwachsene ist mit 180g unbenutzt schon ein vielfaches an Müllvolumen im Vergleich zu einer Babywindel in Gr 2 (35 g)

Nachhaltige Inkontinenzprodukte im Alltag

Die  Versorgung mit Stoffwindeln stellt in jedem Alter eine gute und praktikable Möglichkeit dar. Aus verschiedenen Systemen und Materialien kann jede:r sein optimales Produkt zusammenstellen. Der Gebrauch von Stoffwindeln muss nicht zwangsläufig die Möglichkeit ausschließen, in bestimmten Situationen weiter auf Einwegprodukte zurückzugreifen.
Gerade bei mobilen Betroffenen, die sich selber versorgen können, ist die Möglichkeit Stoffwindeln zu benutzen ein Weg, der zumindest bedacht werden sollte.

Der Autor dieses Artikels ist selbst betroffen (Dranginkontinent) und seit Jahren überzeugter Nutzer von Stoffwindeln im Alltag.
Es sollte kein Tabu sein, sich über eine nachhaltige Versorgung in jedem Alter zu informieren und niemand muss sich schämen, betroffen zu sein.

Literaturverzeichnis

Evaluation der Erfassung und Verwertung ausgewählter Abfallströme zur Fortentwicklung der Kreislaufwirtschaft. (2022, 1. März). Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/evaluation-der-erfassung-verwertung-ausgewaehlter

Inkontinenz: Ursachen, Symptome & Behandlung. (2019, 16. Mai). Deutsche Familienversicherung. https://www.deutsche-familienversicherung.de/krankenhauszusatzversicherung/ratgeber/artikel/inkontinenz-ursachen-symptome-therapie/

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